Gerhard Geier der Visionär vom Lang Bräu in Freyung

Gerhard Geier ist Vorstandsvorsitzender der Bürgerbrauerei in Freyung und führt mit Leidenschaft und Weitblick eine Institution in die Zukunft, die eigentlich keine mehr hatte. „Wer Lust und Leidenschaft in sich vereinen kann“, meint er, „kann alles erreichen.“

Die Stadt Freyung ist seit gut einem Jahrzehnt in Aufbruchsstimmung. Da passte es so gar nicht ins Bild, dass ausgerechnet in der Stadtmitte einer bedeutungsvollen Institution mit 200jähriger Geschichte für immer das Aus drohte. Angeführt von Bürgermeister und Stadtrat, wurden Pläne zur Rettung geschmiedet. Die Stadt war bereit ihren Teil zu leisten, aber es brauchte auch eine Führungsmannschaft mit einem Verantwortlichen, der den Weg in die Zukunft wies.

Ich treffe Gerhard Geier, den Vorstandsvorsitzenden, in seinem Büro. Er ist ein erfahrener Mann, der Ruhe und Vertrauen ausstrahlt, ohne dass er groß etwas sagen muss. Ich rühre noch im Kaffee, als Geier mit ruhiger Stimme beginnt, die Geschichte „seiner Brauerei“ von ganz vorne zu erzählen. „Geschichte“, sagt er, „ist wichtig, denn sie bedeutet Wurzeln zu haben und sich ihrer bewusst zu sein“. Und dann fügt er noch an: „Ohne Herkunft keine Zukunft“.

Ganz vorne heißt 1813. In jenem Jahr beantragt der Braumeister und Mitglied der Freyunger Bräugesellschaft, Johann Reichenberger, eine „Brau-Concession“ für sein Haus und läutet damit die Geburtsstunde vom Lang Bräu ein.

„Die folgenden Jahrzehnte waren bewegend“, weiß Gerhard Geier aus der Chronologie der Brauerei zu berichten. Denn nach gut 40 Jahren folgt 1857 der wirtschaftliche Absturz und die Brauerei wird versteigert. Sie wechselt samt aller Besitzungen für 40.000 Gulden in das Eigentum von Andreas Lang, Besitzer von Schlossgut Falkenfels und der Bierhütte im nahen Hohenau.

Über viele Generationen hinweg, am Ende werden über 150 Jahre sein, genießt die Familie Lang großes Ansehen in der Stadt. Sie führt die Brauerei mit Weitsicht Leidenschaft und Gemeinsinn. Nepomuk III, der letzte in der Lang-Dynastie soll besonders umtriebig gewesen sein. Geier wörtlich: „Der Nepomuk hat alljährlich zur Fronleichnamsprozession das Einbrauen befohlen und damit die ganze Stadt in eine Duftwolke aus Gerstenmalz gehüllt, um die Bürger daran zu erinnern, dass Bier und Tradition untrennbar zusammengehören. „Er war wahrscheinlich der erste Brauereibesitzer überhaupt gewesen, der auf „Duftmarketing“ setzte“, lacht Geier, und hängt noch ein Augenzwinkern dran.

Im beginnenden neuen Jahrtausend aber fehlen die Erben. Aus Mangel an eigenen Nachkommen beschließt die Familie Lang 2009 die Brauerei zu verkaufen. 2014 droht dann das Aus. Aber Freyung wäre nicht Freyung und die Brauerei nicht die Brauerei, wenn es nicht eine gemeinschaftliche Lösung für den Fortbestand dieser so wichtigen Institution in Freyung gegeben hätte.

„Ich erinnere mich noch gut an den 5. Januar 2014“, erzählt Geier. „Ich sollte mich finanziell an der Fortführung des Lang Bräu beteiligen und zu einem „Gesprächsabend“ kommen. An jenem Abend saßen wir dann, 15 Männer und Frauen, an einem großen Tisch und berieten über die Neuaufstellung der Brauerei. „Als geborener Wirtssohn, Bankkaufmann und Genossenschaftsgründer in früheren Zeiten war ich für die Problematik natürlich besonders sensibilisiert. Ich stellte also laufend Fragen, bis ich mich in die Rolle des „sachverständigen Hinterfragers“ hinein gefragt hatte und beauftragt wurde, das Projekt in die Hand zu nehmen“, lacht er laut.

Also setzte ich mich hin, las 14 Tage lang Wertgutachten, wertete Bilanzen aus und beriet mich mit dem Gründungsberater beim Genossenschaftsverband und vielen anderen. Ich ging zunächst von 2 Monaten Aufwand aus oder anders gesagt, von einem Engagement bis zu dem Moment, an dem die Genossenschaftssatzung beschlussreif für die Gründungsversammlung ist.“

„Nun“, so fährt Gerhard Geier fort, „die Gründungsversammlung bestand aus 6 Personen und ich war eine davon. Aus diesem Kreis mussten wir 4 Aufsichtsräte wählen. Und ehe ich mich umsah, waren eine Kollegin und ich zum Vorstand gewählt. Am 1. Juli 2014 nahmen wir beide dann die Arbeit auf und ich war Frontmann vom Lang Bräu in Freyung.“

Gerhard Geier lacht, „ich war ja bereits in der Passivphase meiner Altersteilzeit und mit der Perspektive auf ein ruhigeres Leben ausgestattet. Golfen, Radeln, und unsere Enkelkinder bestimmten meinen Tages-Rhythmus. Aber ich konnte einfach nicht Nein sagen“, schmunzelt er. „Rückblickend war jener 5. Januar der Beginn eines neuen Lebensabschnitts für mich, ohne, dass mir das in diesem Moment so klar gewesen wäre“, resümiert er.

Gerhard Geier ist auch heute, acht Jahre später, überzeugt, dass die Genossenschaft die beste Lösung war, der Brauerei eine neue Bedeutung als Bürgerbräu zu geben. Noch im Gründungsjahr war es gelungen, allein durch Mitgliedereinlagen den 7-stelligen Kaufpreis an den Eigentümer zu bezahlen. Ohne Engagement der Stadt wäre es trotzdem schwierig geworden.

Inzwischen zählen wir gut 230 Mitglieder bzw. Genossen freut sich Gerhard Geier und haben einen Freundeskreis Drumherum aufgebaut. Dieser wird ständig größer und viele der Freunde sind echte Fans geworden und posten Bilder mit unseren Bieren aus den unterschiedlichsten Gegenden in den Sozialen Medien. Als er mir das erzählt, ist er sichtlich stolz. Denn vor ein paar Jahren konnte diese Entwicklung niemand voraussehen.

Auf meine Frage, ob er es rückblickend noch einmal so angehen würde, wird Gerhard Geier nachdenklich und meint, „wahrscheinlich nicht. Denn nach der finanziellen und organisatorischen Neuaufstellung der Brauerei stand die schwerste Zeit noch bevor, die Zeit der Veränderung. Wir mussten viel umstrukturieren. Die Brauerei war mehr als renovierungsbedürftig und ihr äußeres Erscheinungsbild damals alles andere als vertrauenserweckend. Wir mussten den Investitionsstau mit Eigenkapital abbauen, weil keine Bank bereit war, das Risiko zu übernehmen und Kredite zu geben“, betont Geier.

Lang Bräu Team

Er macht ein Beispiel: „Als wir anfingen, war die Brauerei deutlich sichtbar in die Jahre gekommen, sodass ich mich entschloss, sofort am Erscheinungsbild zu arbeiten. Also trug ich dem Aufsichtsrat vor, die Sudhaus-Fassade zu erneuern. Ich wusste, dass die Umsätze bis dahin die Investition nicht hergaben, die Maßnahme aber notwendig war, um Vertrauen zurückzugewinnen“.

„Wer geht schon gern in einen Laden, der von außen alles andere als einladend wirkt“, meint Geier. „Dies und viele weitere Entscheidungen verlangten dem Aufsichtsrat und vor allem auch den Mitarbeitern alles ab. In diesem Moment ist Führung wichtig. Führen von der Ferne geht nicht. Es war von Anfang an meine Aufgabe, die Menschen zu motivieren, als Vorbild zu agieren und Vertrauen aufzubauen“, so Geier.

Unterstützung kam aber auch von außen. Die Genossenschaftsstruktur sorgte von Anfang an für eine unglaublich hohe Identifikation der Menschen in der Region mit dem Lang Bräu. „Hier spricht jeder von „unserem Weizen“ und nicht vom Weizen des Lang Bräu“, betont Gerhard Geier.

Auf die Frage, welches unternehmerische Prinzip ihn am wichtigsten ist, antwortet er: „Ich bin der Typ, der auf Sicht fährt und das Risiko überschaubar hält. Wir würden uns finanziell nie so weit aus dem Fenster lehnen, dass wir nachts nicht mehr schlafen können. Solide Finanzen sind eine wichtige Grundlage für wirtschaftliche Stabilität“. Lachend fügt er hinzu: „Der Betrieb funktioniert dann am besten, wenn der Mann das Handwerk und die Frau die Finanzen führt. Bei uns in der Brauereiführung bin ich die Frau“.

„Am Ende“, so Geier weiter, „entscheidet das Handwerk über den Erfolg. Weshalb wir die Handwerkskunst ganz besonders pflegen. Es gibt wenige Brauereien, die so bodenständig und handwerklich produzieren, wie wir. Wir brauen in offener Gärung im Kupferkessel, nutzen eigenes Quellwasser, verwenden fast ausschließlich regionale Rohstoffe und lasse unsere Biere ruhen und reifen.“

Und dann spricht Gerhard Geier die Jugend an und freut sich über die wunderbare Beziehung zwischen Lang Bräu und jungen Menschen. „Wir begeistern uns gegenseitig und freuen uns immer wieder über die Facebook-Posts unserer Fans und den Umstand, wo unser Helles überall im Einsatz ist“, erzählt er sichtlich stolz.

In diesem Moment wirkt Gerhard Geier so, als sei er mit sich und der Welt im Reinen und bestätigt mir: „Ich bin mit mir zufrieden. Diesen Erfolg hätte ich mir nicht träumen lassen. Gefühlt macht mir meine Aufgabe mindestens so viel Freude wie meine Hobbies“. „Die Aufgabe als Vorstand erfüllt mich sehr und meine Frau gesteht mir das zu. Andererseits haben wir vier Enkelkinder. Bei ihnen ist meine Frau die Nummer Eins. Sie macht auch den Garten und einmal die Woche öffnen wir unser Wirtshaus in Ringelai. So sind wir beide gut ausgelastet. Das Golfen habe ich aufgehört. Im Gegensatz dazu wollen meine Frau und ich aber das Radfahren mehr intensivieren. Die Zeit dafür nehmen wir uns einfach“.

Weiter betont er: „Wir sind aber auch in der Brauerei eine Familie mit 15 Kolleginnen und Kollegen, die sich wertschätzen und in ihrer Arbeit unterstützen. Aber auch außerhalb der Brauerei funktioniert unsere Gemeinschaft bestens. Wir unternehmen Ausflüge, weg von Zuhause und mit wenigstens einer Übernachtung. Da entsteht ein anderes Wir-Gefühl und gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen“, weiß Gerhard Geier aus Erfahrung.

Lang Bräu Haus

Das war nicht immer so, betont er. „Aber inzwischen sind wir ein ausgezeichnetes Team geworden und das ist das Verdienst aller Mitarbeiter. Jeder leistet dazu seinen Beitrag“.

Mit Blick auf die Zukunft hofft Gerhard Geier, „dass die Kunden mit unserer Brauerei in 10 Jahren genauso zufrieden sind, wie heute und wir als Gemeinschaftsbrauerei gesellschaftlich und sozial fest in Freyung und im Landkreis verankert sind“.

„Und lass uns nicht die Umwelt vergessen“, mahnt er: „Die energetische Optimierung und die Investition in Nachhaltigkeit der Brauerei werden zukünftig eine große Rolle spielen, genauso wie menschengerechte Produktion mit weniger schwerer körperlicher Arbeit in der Brauerei“.

Am allermeisten freut sich Gerhard Geier darüber, dass der Lang Bräu bald wieder einen eigenen Genussort haben wird. Der Aufsichtsrat hat im April 2021 beschlossen, das Bräustüberl am Stadtplatz aus dem „Dornröschenschlaf“ zu holen. Damit kehrt ein Ort für Bierkultur und Geselligkeit nach Freyung zurück und knüpft an alte Traditionen an. Voraussetzung dafür ist, dass wir an der Qualität unserer Getränke arbeiten, so Geier. „Unsere Hauptsorte ist immer noch das Helle. Aber wir müssen wach und experimentierfreudig bleiben und im Wert und nicht in der Menge wachsen“, so der Visionär.