Ein Bekenner zur Regionalität
Wolfgang Aulinger hat die Welt bereist und bekocht daheim zusammen mit seiner Frau Stefanie in seinem Gasthof zum Sonnenwald die Gäste mit exzellenter regionaler Küche.
Die gute Küche des Bayerischen Waldes wohnt an einem sonnigen Ort. In Schöfweg auf einem Hochplateau unterhalb vom Brotjacklriegel. Hier, im Gasthof zum Sonnenwald, schwingt Wolfgang Aulinger den Kochlöffel und seine Frau Stefanie sorgt sich um die Gäste. Die beiden folgen damit der gut 140-jährigen Wirtshaustradition, die mit Albert Aulinger als Bierbrauer mit einem Brauhaus in der Dorfmitte ihren Anfang nahm. Wolfgang hat viel in der Welt gesehen, bevor er nach Hause zurückkehrte und sich vornahm, zusammen mit seiner Frau konsequent regional zu kochen.
Für Genießer und Liebhaber bodenständiger Kulinarik ist das 1.300 Seelendorf Schöfweg so etwas wie ein Wallfahrtsort. Denn tagtäglich pilgern hunderte Menschen aus nah und fern in den Ort, genauer gesagt, in den Gasthof zum Sonnenwald. An einem frühen Freitagvormittag reise ich also nach Schöfweg. In der Gaststube ist es um diese Zeit noch ruhig. Die warme Morgensonne blinzelt durchs Fenster und Wolfgang Aulinger und seine Frau Stefanie bieten mir einen Kaffee an. In dieser angenehmen Atmosphäre beginnen wir unser Gespräch und ich frage Wolfgang, ob Koch sein Traumberuf sei. Er schüttelt den Kopf, meint nicht immer. Der Vater betrieb neben der Gastronomie eine Baufirma und deshalb wollte ich eigentlich Zimmerer werden. Aber die Stelle war schon an meinen Bruder vergeben, weshalb mir nichts anderes übrigblieb als Koch zu lernen. Denn unter meinem Bruder wollte ich auch nicht arbeiten, scherzt Wolfgang.
Im Gegensatz zu der Zeit, in der ich meine Lehre begann, ist Koch heute ein attraktiver Beruf und die Wertschätzung hat deutlich zugenommen. Gute Köche sind gefragt und ich hatte das Glück nach meiner Ausbildung die Welt bereisen und viel an Erfahrung sammeln zu können, betont Wolfgang.
Unter anderem war Wolfgang Aulinger in Österreich, in der Schweiz, in Australien und in den USA. Er kochte unter anderem bei Do & Co., einem börsennotierten Cateringunternehmen aus dem 1. Wiener Bezirk und kreierte die verrücktesten Menüs auf höchstem Niveau. Unter anderem, so Wolfgang, zählten die Formel Eins, die Film-Crew des Blockbusters Oceans Eleven und illustre Fluggäste exklusiver Privatfluggesellschaften zu unseren Kunden. Weniger spektakulär als damals, dafür aber durch und durch bodenständig, ist die Küchenphilosophie von Wolfgang Aulinger und seiner Frau Stefanie im eigenen Betrieb heute.
Wir wechseln zweimal täglich, mittags und abends, unsere Tageskarte. Wenn mittags ein Gericht aus ist, wird es von der Karte genommen und am Abend durch ein anderes ersetzt. Wenn etwa ein Wildschwein verfügbar ist, kommt es auf die Karte. Und dann kann es sein, dass zwei Monate vergehen, bis wir wieder eines bekommen, meint Wolfgang.
Frische ist das A und O seiner Küche. Hierfür pflegen er und seine Frau eine enge, vom gegenseitigen Respekt geprägte Beziehung zu den Lieferanten. Wir kennen und schätzen uns und die langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit steht an erster Stelle. Da gibt es auch kein Feilschen um den letzten Cent, so Wolfgang. Denn gute Lebensmittel haben auch einen wertschätzenden Preis. Diese Form der Zusammenarbeit mit Lieferanten hat mein Vater schon gepflegt und wir führen die Tradition fort. Vater Andreas unterstützt Wolfgang noch bei jeder Gelegenheit. Freitags ist der Vater auf Einkaufstour und besucht seine Bauern und Metzger. Ob in Hengersberg, Spiegelau oder in einem anderen Ort, man kennt sich persönlich. Vater Andreas kauft ein, was es gerade frisch gibt und das kommt dann daheim auf die Karte.
Ob das auch für Bier und Wein gilt, will ich wissen. Wir haben unsere festen Weinlieferanten und das schon seit vielen Jahren, antwortet Wolfgang. Beim Bier haben wir uns zuletzt geöffnet und Biere und Bierstile von verschiedenen Brauereien bezogen. Davon sind wir inzwischen wieder abgekommen. Den damals entstand sehr viel Unruhe. Plötzlich kam beinahe jeden Tag ein Bierlieferant und wollte uns etwas anbieten. Das wurde auf Dauer zur Belastung. Also haben wir das Prozedere geändert und bieten um unsere Hausbrauerei herum monatlich wechselnd spannende Biere aus der Region, die mein Vater regelmäßig von seinen Touren mit nach Hause bringt. Und dieses Konzept geht zur Zufriedenheit aller bestens auf.
Ich frage Wolfgang, ob die Bezeichnung Gasthof das auszudrücken vermag, was ihn auszeichnet. Ganz und gar sind Wolfgang und Stefanie überzeugt. Auf den Inhalt kommt es an und der gibt dem Namen die Bedeutung. Es mag sie wohl geben, sinniert Wolfgang, diejenigen, die ihren Gasthof selbst zum Landgasthof oder Landhotel aufhübschen aber die Erwartungen nicht erfüllen können. Wir sind und bleiben ein Gasthof, der für bodenständige und hochwertige Küche steht.
Damit landen wir beim Thema ökologische Verantwortung. Wolfgang und Stefanie sind überzeugt, dass die Herausforderungen der Zukunft nur zu meistern sein werden, wenn die regionale Kreislaufwirtschaft verstärkt wird. Es ergibt keinen Sinn, so die beiden, Lebensmittel, um die halbe Welt zu fliegen, ehe sie an einem anderen Ort auf dem Teller landen. Mit Tierwohl und Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.
Die Biolandwirtschaft hat einen wertvollen Beitrag zur Schaffung eines neuen Bewusstseins geleistet, betonen beide. Allerdings muss man den Begriff Bio richtig einordnen, erklären sie mir. In der Bio-Tierhaltung haben die Tiere mehr Platz in den Ställen und mehr Auslauf. Sie werden nicht präventiv mit Antibiotika und anderen Medikamenten behandelt und ihr Futter ist Qualitätskriterien unterworfen. Gentechnik ist generell verboten, betonen beide.
Die Vorstellung aber, dass das Fleisch vom Bio-Rind in jeder Hinsicht besser sei, teilt er dagegen nicht zwingend. Geschmacklich ist Biofleisch exzellent, da aber extensiv gehaltene Tiere mehr in Bewegung sind, bauen sie mehr Muskeln auf und diese sind fester und zäher, was jedem Koch und auch Gast bewusst sein muss.
Ihr Rindfleisch beziehen die Aulingers vom Schwiegervater. Da wissen sie, was sie haben, sagen sie. Die Tiere wachsen in Anbindehaltung auf, werden mit Gras und Heu gefüttert und erhalten so gut wie keine Silage oder Kraftfutter. In absehbarer Zeit werden Wolfgang und Stefanie zusammen mit dem Schwager selbst Rinder in Freiland- und Mutterkuhhaltung züchten und in der Küche verarbeiten. Die Pläne dafür liegen schon fertig in der Schublade.
Noch anspruchsvoller als Fleisch ist Gemüse, betont Wolfgang. Ich kenne keinen Ort auf der Welt, wo so wenig hochwertiges Gemüse angeboten wird, als in Deutschland.
Glücklicherweise haben wir einen regionalen Lieferanten, der primär als Händler seine Ware auf den Wochenmärkten anbietet und nur zwei Wirtshäuser beliefert. Eines davon sind wir. Dabei kommt uns zugute, dass er bei den Wochenmarktkunden nur mit bestem Gemüse bestehen kann.
Der hohe Aufwand, den Wolfgang und Stefanie im Einkauf betreiben, lohnt sich nicht nur finanziell, sondern drückt sich auch in persönlicher Wertschätzung aus. Inzwischen fragen immer mehr Gäste an, ob wir ihnen etwa Rehfleisch verkaufen, weil ihnen das Gericht so sehr geschmeckt hat. Das ist für uns die höchste Form der Anerkennung, so Wolfgang.
Neun von zehn Gästen im Gasthof zum Sonnenwald kommen aus der näheren Region. Viele sind Stammgäste, freut sich Stefanie. Und was Stammgäste bedeuten, hat die Pandemie in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht. Wie viele Kollegen, haben wir einen Abholservice eingeführt und verdanken es unseren Stammgästen, dass wir damit durch diese schwere Zeit gekommen sind. Der Abholservice ist zum neuen Standbein geworden und floriert auch nach den Lockdowns. Die größte Herausforderung am Anfang bestand darin, so Wolfgang, ein nachhaltiges Verpackungssystem zu finden, welches vollständig kompostierbar ist. Aber auch das haben wir inzwischen gelöst. Dem Zuckerrohr sei Dank, meint Wolfgang.
Nach einer Stunde Gespräch und Diskussion wirken Wolfgang und Stefanie noch immer tiefenentspannt, obwohl sich nebenan schon die Gaststube füllt. Daher frage ich Wolfgang, ob ihn etwas aus der Ruhe bringen kann. Und er meint zu meiner Überraschung:
Ja. Ich bin schon immer in Sorge, zu wenig zu tun. Woher das kommt, keine Ahnung, so Wolfgang. Ich weiß nur eins, fährt er fort: Wenn etwas zur Routine wird, werde ich schnell unruhig und es entsteht das Gefühl von Stillstand. Stefanie lacht.
Zuletzt in Sorge waren Wolfgang und Stefanie als die Onlinebewertungen in der Gastronomie aufkamen. Eine schlechte Bewertung, was im besten Betrieb vorkommt, wirft Dich in der Gesamtnote gleich Lichtjahre zurück, so Stefanie. Wir hatten einen Riesenrespekt davor, weil wir die Kontrolle über die Kommunikation teilweise verloren hatten. Aber seit wir uns darüber keine Gedanken mehr machen, erhalten wir nur noch positive Bewertungen, lacht sie.
Was er denn von der Zukunft erwartet, will ich von den beiden abschließend noch wissen. Eines Tages meinen sie, könnte wir uns auch die Übernahme neuer, andersartiger Aufgaben vorstellen, die gar nichts mit dem von heute zu tun haben. Möglichkeiten gäbe es da einige, meint Wolfgang. Aber im Moment ist das überhaupt kein Thema. Dafür macht es uns zu viel Freude, unseren Gästen ihre Lieblingsgerichte zuzubereiten. Und dann verraten sie mir zum Schluss noch, dass es ein Gericht gibt, das seit einem Jahrzehnt nicht mehr auf der Karte steht, aber täglich bestellt wird: „Das Aulinger-Schnitzel“. Na dann, was gibt es Schöneres als ein offenes Geheimnis.