Die Dampfbierbrauer von Zwiesel

„Omnia praeclara rara“, zu deutsch: „Alles Vortreffliche ist selten“ ist die Leitlinie von Elisabeth und Mark Pfeffer für ihre 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel. Sie führen die Brauerei seit 20 Jahren und das mit großem Erfolg. Andreas Keller, ihr junger Braumeister, sorgt für ein feines Sortiment und den guten Biergeschmack.

Ich treffe die drei im Schalander. An jenem Ort einer Brauerei, an dem sich früher, als das Brauen noch viele Hände brauchte, die Belegschaft für die Arbeit umzog und ihre Pausen verbrachte. Heute gehört der Schalander den Gästen und ist eine stilvolle Lokalität für Geselligkeit.

Die 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel ist die letzte noch existierende Brauerei in Zwiesel und mindestens 125 Jahre alt. Mark Pfeffer zeigt auf eine Tafel an der Wand und verweist darauf, dass es anno 1889 in Zwiesel 17 Brauereien gibt. Er erzählt, dass damals ein entfernter Verwandter namens Wolfgang Pfeffer aus Arrach bei Kötzting die Dampfbierbrauerei erwirbt und fortan Bier einbraut. Wann genau aber die Dampfbierbrauerei in Zwiesel tatsächlich gegründet wurde, kann niemand mehr genau sagen, so Mark Pfeffer.

Aber soviel ist sicher, meint Mark Pfeffer. „Das Bier schmeckte schon damals ähnlich wie heute, nur lange haltbar war es nicht“. Die Bürger trugen es in offenen Krügen nach Hause – heute würde man den Vorgang wohl als Bier-to-go beschreiben.

Auf die Frage, wie es zum Begriff vom Dampfbier kam, sagt Mark Pfeffer: „Das ist eine ganz eigene Geschichte. Aufgrund knapper Rohstoffe und fehlender Kühlung wurden vor allem Biere mit obergäriger Hefe eingebraut. Diese liebt Temperaturen von 18 bis 20 Grad Celsius und führt in offenen
Gärbottichen zu einer stark überquellenden Schaumdecke. Die Schaumbläschen platzen nach und nach und setzen Kohlensäure frei. Das Bier dampfte also im wahrsten Sinne des Wortes und das gab dem Dampfbier schließlich seinen Namen“.

Noch heute gibt das Dampfbier der Brauerei seinen Namen und wird nach wie vor in offenen Gärbottichen eingebraut. Wie vor 100 Jahren reift und lagert es in den alten, tiefen Felsenkellern der Brauerei. Das Ergebnis ist ein sehr mildes, bernsteinfarbiges Bier von außergewöhnlicher Qualität. Die Menschen mögen es, bestätigt Braumeister Andreas Keller und ist überzeugt, dass dieser Bierstil auch künftige Moden überleben wird.

Zur 1. Dampfbierbrauerei Zwiesel gehörte schon immer auch ein Eiskeller. Eiskeller, erklärt mir Mark Pfeffer, das sind ganz oder teilweise unterirdische Bauwerke, die früher zur Lagerung und Aufbewahrung von Natureis dienten, um im Sommer Lebensmittel zu kühlen oder Bier brauen zu können. Mit der Erfindung der Kältemaschine im ausgehenden 19. Jahrhundert verloren die Eiskeller schließlich ihre Funktion und blieben in der Folge nahezu ungenutzt; Die meisten wurden abgerissen, zugeschüttet oder sind verfallen.

Anders in Zwiesel. Ohne Übertreibung ist der Eiskeller der Zwieseler Dampfbierbrauerei wohl einer der großartigsten weit und breit. Vor einigen Jahren wurde er saniert und wiederbelebt. Ganz großen Wert legte man auf den Erhalt seines Industriecharakters und damit auf die Bewahrung dessen „Seele“, wie Mark Pfeffer betont. Es wäre grundsätzlich wesentlich einfacher und preiswerter, so Keller, altes abzureißen und von Grund auf neu zu bauen. Aber die Geschichte und damit ein Teil der eigenen Identität wäre verloren. Und genau diese Geschichten suchen die Gäste und Besucher, die zu uns kommen. Zudem bewahrt uns diese Haltung vor Austauschbarkeit in unserer Branche und gegenüber Industriebrauereien, resümiert Andreas Keller.

Heute ist der Eiskeller ein kulturelles Element und fester Bestandteil innerhalb der Erlebnisbrauerei. Er bietet außerdem einen stilvollen Rahmen für vielfältige Veranstaltungen.

Wenn Mark Pfeffer an seine Kindheit zurückdenkt, ist das weitläufige Gelände der Brauerei mit seinen Gebäuden für ihn schon immer beeindruckend gewesen. „Für uns war es ein abwechslungsreicher Abenteuerspielplatz,“ betont er. „Insbesondere der Getreidespeicher und die ehemaligen Stallungen der Brauerei waren perfekte Rückzugsorte zum Ausleben unserer Kinderphantasien. Hier verbrachten wir ganze Nachmittage, drehten eigene „Kinofilme“ und haben auch sonst allerlei angestellt“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Auf die Frage, ob er dort heimlich auch sein erstes Bier probiert habe, bleibt er dagegen ganz sachlich, verzieht keine Miene und meint. „Ich war wohl schon Gymnasiast. Wenn wir im Kreis der Freude was zu Feiern hatten, tranken wir auch mal ein Bier.“

„Braumeister zu werden, war also nicht so mein Ding“, resümiert er seine Kindheit und Jugend. „Ich bin schon immer mehr der Kaufmann“ betont er und erzählt, dass es ihn nach Abitur und BWL-Studium in Passau in die Schlossbrauerei Kaltenberg nach Fürstenfeldbruck zog. Hier erlernte Mark Pfeffer das Handwerkszeug in Brauereimarketing und Vertrieb.

Das Brauen selbst überlassen die Pfeffers weitgehend ihrem Braumeister Andreas Keller. Dessen Dialekt verrät, dass es ihn einst von der Schwäbischen Alb in den Bayerischen Wald verschlagen haben muss. Lachend erzählt er, dass die Liebe zu Bayern in den Familienurlauben entstand. Nach vielen Bayernurlauben ließen sich seine Eltern mit Kind und Kegel in der Nähe von Zwiesel nieder und blieben für immer hier. Irgendwann in dieser Zeit lernt er dann Mark Pfeffer und seinen Vater kennen. Sie boten ihm an, in der Dampfbierbrauerei seine Lehre zu absolvieren. Und so kam es, dass er zum Braumeister wurde und blieb. Er kennt sich nicht nur gut aus und ist belesen, er hat auch eine gute Nase wie er betont, wie übrigens viele Zwieseler Bürger auch, die am Stadtplatz noch die Würze beim Kochen im Sudhaus riechen. Darüber freut sich Andreas Keller sichtlich und betont, das ist die beste Werbung für uns.

Wieviel Werbung in den eigenwilligen Biernamen der Biersorten steckt, frage ich. Da ist man eher zurückhaltend, antwortet Mark Pfeffer. Die Wahl der Biernamen folgt mehr der Überzeugung, dass Biere eine Seele haben müssen und sich diese auch im Namen ausdrückt. So ziert beispielsweise der Zwieseler Fahnenschwinger nicht nur das Exportbier-Etikett. Vielmehr ist seine Bezeichnung Ausdruck für die enge Beziehung der Brauerei zur örtlichen Tradition. Denn der Fahnenschwinger in Zwiesel bekleidet ein hohes Amt und führt seit jeher das Zwieseler Grenzlandfest, eines der größten und traditionsreichsten Volksfeste im Bayerischen Wald, an.

Im Gegensatz dazu ist die Schmelzerhoibe der harten archaischen Arbeit des Glasschmelzers der Glasstadt Zwiesel gewidmet. Sein glühend heißer Arbeitsplatz am Schmelzofen verlangte dem Schmelzer, der die Glasschmelze für den nächsten Tag vorbereitet, körperlich alles ab. Auch heute noch. Sowohl der Name als auch Bierrezeptur greifen diesen Umstand auf. Das Bier zu seinen Ehren ist deshalb besonders erfrischend und leichter als vergleichbare.

Und schließlich führt vom Stanzn Grump Dunkel eine sagenhafte Spur zu einem Vorvorfahren der Brauerei. Dieser wurde „Stanzn Grump“ genannt und verbrachte seinen Lebensabend als Grump (Gebrechlicher) in einem Austragshäusl (Stanzn) am langgezogenen Bergkamm des Bayerischen Waldes, dem Kaitersberg. Der Legende nach soll der Stanzn Grump als Kompagnon vom berühmten Räuber Heigl im Gefängnis gelandet sein und von dort eine Verletzung davongetragen haben, die ihn zeitlebens humpeln ließ.

Inzwischen ist Elisabeth Pfeffer zu uns gestoßen. Wie es ist, wenn man sich eine Brauerei anheiratet, frage ich sie. Sie lacht und meint: „Da gehen einem die Getränke nie aus…“ und fügt an, „obwohl wir wahrscheinlich weniger Bier Zuhause haben als andere Haushalte. Dies läge vor allem daran, dass wir an der Quelle sitzen und in Vorratshaltung deswegen wenig Übung haben. Außerdem ist man in diesem Beruf kaum Zuhause und viel auf Veranstaltungen, Festen und anderen bierigen Anlässen unterwegs. Das ist ein rundum wunderbarer Beruf mit viel Abwechslung.“

Und schließlich frage ich in die Runde, wie es gelingt, dass dem Trio die Ideen nicht ausgehen. Darauf Elisabeth Pfeffer: „Wir sind durchaus experimentierfreudig und auch mutig. Rückblickend haben wir sicher die ein oder andere Idee in den Sand gesetzt. Aber mit zeitlichem Abstand können wir darüber herzlich lachen.“

So war das Kürbisbier nicht wirklich ein Hit. Vielleicht hätten wir es „Pumpkin Ale“ nennen sollen. Lacht. Ähnlich erging es uns mit der Bierspezialität namens Libero. Da hat man schnell gemerkt, dass wir alle zu wenig vom Fußball verstehen. In Kooperation mit einer exzellenten Glasmanufaktur entstand anlässlich einer Weltmeisterschaft eine Trinkglasserie namens Libero. Unser Beitrag war das passende Bier in einer stilvollen weißen Flasche. Was wir als Fußball-Laien nicht bedacht hatten, war, dass es zu dieser Zeit schon länger keinen Libero mehr gab und wir dafür mehr Schmunzeln als Umsatz ernteten.“

„Aber von so etwas lassen wir uns nicht entmutigen,“ bekräftigt Mark Pfeffer. „Die Fähigkeit, sich immer wieder auf neue Ideen einzulassen und geduldig zu bleiben, macht gute Unternehmen aus. Und dass das Pendel auch in die andere Richtung ausschlagen kann, zeigt unsere Biersorte Sommertraum. 2013 eingeführt, avanciert sie 2020 inmitten der Pandemie zum „Lieblingsbier der Münchner.“ „Hier kam alles zusammen“, so Mark Pfeffer: „Eine gute Idee, eine exzellente Rezeptur, Geduld, Ausdauer und zur rechten Zeit die richtigen Menschen am richtigen Platz.“

Und schließlich gibt er noch seine Einschätzung zu viel besagten Innovationszirkeln Preis. „Innovation auf Kommando geht nicht. Viele erfolgreiche Ideen entstehen spontan, andere reifen langsam. Sie lassen sich nicht an Ort, Zeit und bestimmten Mitarbeitern festmachen. Deshalb kommen bei uns neue Impulse aus den unterschiedlichsten Richtungen und jeder Einzelne vom Azubi bis zum Heimservice ist gefragt, sich einzubringen.“

Auf die abschließende Frage in die Runde, wie sich die erste Dampfbierbrauerei Zwiesel in einem Satz auf den Punkt bringen lassen würde, sind sich meine Gastgeber einig:

„Wir sind eine tugendhafte Brauerei, die das Omnia praeclara rara“ von Cicero, zu deutsch, „Alles Vortreffliche ist selten“ für sich zur Maxime ihres Handelns erklärt hat und mit diesem Bewusstsein seine Aufgaben der Zukunft ins Visier nimmt.