Der KaffeeWerker

Stephan Bauer hat eine Berufung: Kaffee. Die Kaffeefrucht fasziniert ihn und er nennt sie eine Wunderkirsche. Mit über 800 Aromen ist sie von der Natur einzigartig ausgestattet und verdient viel mehr, als nur als eine Ware im Coffee to go Becher zu enden. Stephan hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür seinen Beitrag zu leisten.

Stephan Bauer ist Passauer. Er ist hier geboren, macht hier Abitur, vertritt zwölf Jahre als Stadtrat die BürgerInnen der Stadt und arbeitet zwischendurch auch mal als Assistent im Abgeordnetenbüro. Nur einmal ist er halb freiwillig angestellt, als er bei den Maltesern seinen Zivildienst leistet. Mit 18 macht er sich selbstständig und hat es nie bereut. Für ihn ist das der einzig gangbare Weg, eigene Ideen zu entwickeln und mit allen Konsequenzen umzusetzen. Und anders hätte er mutmaßlich auch nicht den Kaffee und damit seine Berufung für sich entdeckt.

Aber der Reihe nach. Als in den 90er-Jahren die Hip-Hop-Kultur Deutschland erreicht, eröffnet Stephan inmitten der Stadt einen Hip-Hop-Lifestyle Laden mit Mode und allerhand Accessoires und betreibt noch weitere Geschäfte in der Stadt. Er ist ein leidenschaftlicher Einzelhändler. Aber um die Jahrtausendwende beginnen sich die Einzelhandelsstrukturen in der Stadt zu verändern und etwa zur selben Zeit ist auch der Hip-Hop-Höhenflug am Abklingen.

Als im Sommer 2008 die Stadtgalerie mit über 90 Läden im Stadtzentrum eröffnet, reagiert Stephan auf die Entwicklung und wechselt das Quartier. Er zieht in die Passauer Innstadt und lässt sich, nach Handelsmaßstab gemessen, auf dem nicht gerade hochfrequentierten Kirchenplatz nieder. Das Sortiment am neuen Standort wird noch spezifischer und verbindet von nun an ökologische Streetwear-Mode mit fancy Kaffeegenuss.  „In puncto Atmosphäre war dieses neue Geschäft in der Innstadt durch nichts zu überbieten und der schönste Laden, den ich je betrieben habe“, schwärmt Stephan noch heute.

Aber der neue Laden kommt schwer in die Gänge. Schließlich zieht Stephan einen Schlussstrich unter die Mode und konzentriert sich fortan zusammen mit einem Freund ganz auf Kaffeegenuss. Die fachlichen Voraussetzungen dafür hat er bereits in der Zeit als Modehändler erworben. Er ist Barista und hat viel über Kaffee gelernt, vieles ausprobiert und die Welt des Kaffees in allen Einzelheiten geradezu studiert. Auf die Frage nach dem Unterschied von Arabica- und Robustabohnen kommt er sofort ins Philosophieren und mir wird klar, dass ich da bei einem absoluten Experten zu Gast sein darf.

Arabica und Robusta – die Unterschiede

 

Die Wiege des Kaffees liegt in Äthiopien. Viele feine Kaffees kommen aus Afrika, aber auch aus Mittel- und Südamerika und Asien. Canephora-Kaffees werden unter anderem in Vietnam, Indonesien und Indien angebaut. Die Kaffeepflanze kann über sechs Meter werden und wird in Höhen ab 300 Metern angebaut. Sie ist im Gegensatz zu Arabica widerstandsfähiger und weniger anfällig für Schädlingsbefall oder Krankheiten und deswegen als Robusta bekannt. Arabien-Kaffees stammen zum Beispiel aus Brasilien, Kolumbien und Honduras. Im Gegensatz zur Robusta ist die Arabica-Bohne empfindlich. Die Umweltbedingungen müssen ideal sein, damit sie erfolgreich gedeihen kann. Auch ihre Ernte gestaltet sich schwierig. Kaffee der Sorte Robusta hat einen deutlich höheren Koffeinanteil und enthält auch mehr Chlorogensäuren. Arabica-Kaffee hingegen ist bekömmlicher, reich an aromatischen Ölen und geschmacklich nuancierter. 70 Prozent des weltweit gehandelten Kaffees ist Arabica-Kaffee. In der Regel wird er zu höheren Preisen verkauft.

Also ruft Stephan das KaffeeWerk ins Leben und beginnt es einzurichten. Im Gegensatz zur Namensfindung war die KaffeeWerk-Möblierung ein leichtes, lacht Stephan. „Von den früheren Läden hatten wir jede Menge an ausgefallenen Einrichtungsgegenständen, die wir nutzen konnten. Dazu kam, dass wir auf Inspirationsreisen hippe Berliner Szene-Cafés wie „Bonanza Coffee Heroes“, „God Shot“, „No Fire No Glory“ und „DoubleEye“ entdeckten und uns einiges abschauen konnten“.

Am Ende entsteht aus der Melange von urbaner Kaffeehauskultur und Hip-Hop-Erbe im Jahr 2010 das wohl originellste Genuss-Café Niederbayerns. In diese Zeit fällt auch der Beginn der sogenannten „Third wave of coffee“.  Im Gegensatz zu den Protagonisten der zweiten Welle wie Starbucks, die Kaffee als Konsumware an jeder Straßenecke anbieten, ist der Anspruch der neuen Generation von Kaffeeanbietern eine entschleunigende Genusskultur anzuregen, Tiefe in der Sensorik und Kennerschaft zu ermöglichen. Dazu bedarf es, so Stephan Bauer, Verbesserungen auf nahezu jeder Bearbeitungsstufe und über die gesamte Customer Journey hinweg auf den Weg zu bringen.  Anbau, Ernte und Verarbeitung müssen weiterentwickelt werden, ebenso die Beziehungsqualität zwischen Kaffeebauern, -händlern und Kaffeeröstern. Von Beginn an pflegt er, soweit es möglich ist, persönliche Kontakte zu Kaffeebauern vor Ort, betont aber gleichzeitig, dass stabile Kontakte, Logistik und fairer Handel noch weit von dem entfernt sind, was er sich selbst wünschen würde.

Gut zehn Jahre nach Gründung des KaffeeWerks erschweren Pandemie, politische Instabilitäten in einigen Anbaugebieten und der Klimawandel den Handel mit Kaffee massiv. Die Auswirkungen spürt man bis nach Passau. Um sicherzugehen, jederzeit das Richtige zu tun, hat Stephan eine Schlüsselfrage entwickelt, gewissermaßen als Lackmustest für die Vertrauenswürdigkeit seiner Lieferanten und Händler, und diese lautet: „Verdient der Kaffeebauer so viel, dass er und seine Familie davon leben können?“
Am Ende, meint Stephan, ist der frisch gebrühte Espresso dann mehr als nur 25 Milliliter Kaffeegenuss. Sie ist die Essenz aus Güte der Kaffeekirsche, aus wertschätzender Verarbeitung und aus der öko-sozialen Verantwortung all derer, die sie in die Hand genommen haben.

Inzwischen hat Stephan das Kaffeewerk auf drei Beine gestellt: Szene-Café, Kaffeemaschinenhandel und schließlich die Rösterei, die eigentlich nicht zur Marke Kaffeewerk gehört. Auf die Frage, wie eins zum anderen kam, meint Stephan:

„Alles hat sich von innen heraus entwickelt und war nicht von langer Hand geplant. Das wäre auch gar nicht mein Naturell und lacht. Ich kann sehr spontan sein und liebe es, Ideen einfach einmal auszuprobieren. So fragten mich im Café immer wieder interessierte Menschen nach der passenden Kaffeemaschine für die Zubereitung eines exzellenten Espresso. Andere wollten, dass ich ihre Siebträgermaschine repariere. So entstand durch Tun der Einzelhandel mit hochwertigen Kaffeemaschinen, mit Beratung, Schulung und Service an alter Wirkungsstätte in der Innenstadt“. Wobei, so Stephan weiter, „die meisten Kunden kaufen bei mir nicht nur eine Kaffeemaschine, sondern ein Lebensgefühl und schwärmen von Eleganz, Stil und dem wertigen Design der Maschinen“.

„Und so ähnlich entstand dann auch die Kaffeerösterei. Auch hier stand am Anfang eine Anfrage eines Unternehmers in der Umgebung, ob ich in seinem neu geplanten Ladenlokal nicht eine eigene Rösterei betreiben wolle. Da fiel mir ein Freund ein, der sich selbst schon mit dem Gedanken befasst hatte zu rösten. Nach einigen Überlegungen beschlossen wir zusammen die Kaffeerösterei Büttner & Bauer zu gründen. Eine wunderbare Entwicklung, die meinen Kaffeezyklus von der Bohne bis zum Kaffeegenuss perfekt abrundet und womit wir sicherstellen können, jede Phase der Kaffeewerdung selbst nach unseren Vorstellungen gestalten zu können“.

Auf die Frage, wie das Bier ins Café kommt, Stephan ist Gründungsmitglied der 2016 ins Leben gerufenen Bierkulturregion Niederbayern, meint er, beide Welten Kaffee und Bier verbindet einiges und daher hat er sich entschlossen, feine regionale Bierspezialitäten anzubieten. Er selbst ist seit der Craftbeer-Bewegung Biertrinker und hat dabei die Aromenvielfalt kennen und schätzen gelernt. Auch das Brauwesen schlägt zusehend den Weg der Nachhaltigkeit ein und stellt die Regionalität wieder als Leistung in den Vordergrund. Auf die Frage, auf was er eher verzichten könnte: Kaffee oder Bier, meint er, notfalls auf beides, aber er würde leiden und lacht.

Mehr oder weniger werde ich den Eindruck nicht los, dass vielleicht in Zukunft noch ein BierWerk entstehen könnte, mal sehen meint Stephan Bauer, was wird. Zum Schluss kann ich ihm nur noch so viel entlocken, als dass da noch zwei, drei Ideen sind, die ihn bedrängen. Ob Bier dabei sein wird, wir werden sehen.